Schmerzen verstehen
 

Wenn Sie Schmerzen haben, ist es hilfreich, wenn Sie verstehen was in Ihrem Körper vorgeht und wie Schmerzen entstehen. Die neuen wissenschaftlichen Erkenntnisse der Hirnforschung und der Schmerzphysiologie können viel dazu beitragen, dass Sie wirksamer mit Schmerzen umgehen lernen.

Alle Schmerzerfahrungen sind normal. Je nach Stärke und Häufigkeit der Schmerzen werden Sie dazu gezwungen sich mit dem Problem zu beschäftigen und die Schmerzen veranlassen Sie dazu, etwas dagegen zu unternehmen.

Wenn Ihr Gehirn etwas als bedrohlich für Sie einschätzt, reagiert es als Antwort mit Schmerz. Mit dieser Reaktionsantwort will das Gehirn Sie schützen und warnen. Sie haben keine Schmerzen, wenn das Gehirn davon ausgeht, dass Sie nicht in Gefahr sind.

Wie viel Schmerz man spürt ist nicht unbedingt von Zustand des Gewebes oder vom Schweregrad des entstandenen Gewebeschadens abhängig. Röntgenbefunde z. B. eines Gelenkes oder der Wirbelsäule, stimmen häufig nicht mit den angegebenen Schmerzen überein. Degenerative Veränderungen sind natürliche Alterungsprozesse, sie müssen nicht zu Schmerzen führen und die Gewebe können noch gut funktionieren.

Im ganzen Körper sind Messfühler (Sensoren) vorhanden, die Gefahrensignale an das Gehirn senden. Diese Botschaft wird vom Gewebe und den Nerven lediglich als Gefahr an das Gehirn gemeldet, nicht als Schmerz.
Das Gehirn analysiert die ankommenden Informationen, es bezieht frühere Erfahrungen, Gefühle und Einstellungen mit ein, meist unbewusst, und reagiert auf vielerlei Arten. Der Schmerz ist eine mögliche Reaktionsantwort. Also das Gehirn entscheidet, ob etwas weh tut oder nicht.

Durch die neuen bildgebenden Verfahren ist bekannt, dass bei der Schmerzerfahrung viele Teile des Gehirns gleichzeitig aktiv werden. Das Gehirn steuert die Zusammenarbeit von verschiedenen Systemen (z.B. motorisches und hormonelles System, vegetatives Nervensystem und Immunsystem), die zusammen aktiv werden, um sie außer Gefahr zu bringen.

Die Funktionsweise des Gehirns lässt sich mit einem Orchester vergleichen, das sehr viele Melodien spielen kann, unter anderem auch die "Schmerzmelodie". Ein bestimmtes Aktivierungsmuster im Gehirn löst die Schmerzerfahrung, die "Schmerzmelodie" aus. Wiederholt sich das oft, kann man das als eine Art Schmerzgedächtnis bezeichnen.
Bei jeder Art von chronischen Schmerzen kommt es zu ausgeprägten Umstrukturierungen im Gehirn, die durch bildgebende Verfahren nachgewiesen werden können.

Bei einer Verletzung entsteht ein Gewebeschaden, körpereigene Reparatursysteme werden aktiviert und die Gewebe können heilen. Je nach Gewebeart dauert die Heilung unterschiedlich lange, die Konstitution des Menschen spielt auch eine Rolle, aber jedes Gewebe kann heilen.

Trotz der abgeschlossenen Gewebeheilung können Schmerzen bestehen bleiben. Ein Hauptmerkmal dabei ist fast immer eine erhöhte Alarmbereitschaft des Nervensystems. Das heißt die Schmerzen sind normal, aber die Prozesse, die dahinter stecken sind verändert. Die Schmerzmelodie wird dann oft gespielt und kann leicht ausgelöst werden durch eigentlich harmlose Botschaften, wie z.B. geringfügigen Temperaturänderungen, Wetteränderungen, leichte Berührung u.a., die das Gehirn fälschlich als Gefahrensignale interpretiert.
Schmerzen entstehen aus einer Kombination von Prozessen in Geweben und der Verarbeitung von Gefahrensignalen im Gehirn.
Unser Gehirn verändert sich ständig. Also ist es auch möglich, dass sich diese erhöhte Alarmbereitschaft, das häufige Spielen der " Schmerzmelodie", wieder rückgängig machen lässt!!, dass das Gehirn wieder lernt auch "andere Melodien" zu spielen.

Was heißt das jetzt für Sie und die Behandlungsmöglichkeiten?
Das Gehirn passt sich immer wieder an, ist bis zum Lebensende lernfähig. Jede Erfahrung wird im Gehirn beurteilt, bewertet und gespeichert.
Wenn jetzt schmerzfreie Behandlungsmöglichkeiten gewählt werden, kann das Gehirn "neue Melodien" lernen, die dann auch immer wieder wiederholt und eingeübt werden. Sie üben "das Orchester spielen zu lassen, ohne dass die Schmerzmelodie wiederholt wird".

Der Schmerz kann auch als Wegweiser zum Erkennen von Belastungen verstanden werden.
Gedanken, Ideen und Ängste sind auch Nervenimpulse, die Reaktionen im Gehirn auslösen, genauso wie Signale von verletzten Geweben.
Deshalb ist es mir wichtig, den ganzen Menschen, den Körper und Geist in die Behandlung mit einzubeziehen, um neue Heilungsmöglichkeiten für Ihre Beschwerden zu finden und Sie zu unterstützen, wieder ins Gleichgewicht zu kommen.
Aufklärung, Wissen und Verstehen was im Körper vor sich geht und gezielte angepasste schmerzfeie Bewegungen und Belastungssteigerungen sind wirkungsvolle Hilfen dabei.


Quelle: Schmerzen verstehen, Butler, Moseley

"Wenn sich eine Tür schließt, öffnet sich eine andere.
Aber wir sehen oft so lange und wehmütig auf die geschlossene Tür,
dass wir diejenigen, die sich für uns öffnen, gar nicht sehen."

Alexander Graham Bell

   
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